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Karl-Heinz auf Reisen

Karl-Heinz läuft die Straße entlang. Eine Landstraße, er muss weg. Warum? Egal. Es ist einfach so. Er läuft, ein Auto hat er nicht und so begibt er sich auf die Reise. Er weiß auch noch nicht wohin er gehen soll. Nach einiger Zeit beginnt es zu regnen, erst ist es ein milder Sommerregen, es ist Mitte August und er freut sich über die willkommene Abkühlung. Kurz darauf jedoch beginnt es zu blitzen und zu donnern. Ein ausgewachsenes Sommergewitter hat sich die Kreuzung seines Weges überlegt. Nach wenigen Schritten ist er komplett durchnässt.

Er überlegt, dass es nicht schlecht wäre jetzt in einem der immer wieder vorbeifahrenden Autos zu sitzen. Warm, trocken und mit einem Menschen, mit dem man sich unterhalten kann. Einpaar Autos fahren vorbei, er hält den Daumen raus, wird jedoch nicht gesehen oder ist unerwünscht. Wer will schon einen völlig Durchnässten Anhalter mitnehmen?

Irgendwann hält ein Wagen an. Ein etwas älteres Modell mit leichten Dellen auf der Beifahrerseite. Er überlegt nicht lange und steigt ein. “Wohin des Wegs?” ist unerwartet die erste Frage die ihm von einer lächelnden Frauenstimme entgegenkommt. Er antwortet: “Erstmal ins Trockene.” Ein kurzes Lachen und die Fahrt geht los.

Sie erzählt ihm, dass sie gerade los ist, sie musste auch weg. Wohin weiß sie auch nicht, nur dass sie weg musste. Eine Weile schweigen sie sich an, sagen keinen Ton. Jeder hat seine Geheimnisse und will sie nicht teilen. Schon gar nicht mit einem Fremden. Warum auch? Geht den das was an? Interessiert es ihn überhaupt? Man will ja auch niemanden belasten, belästigen.

Karl-Heinz freut sich, dass er im Trockenen sitzt und fährt einfach nur mit. Das Ziel ist nicht nur undefiniert, es ist ihm auch egal. Er überlegt, dass ja eigentlich dann beide dasselbe Ziel haben.

Nach einigen Stunden Fahrt bemerkt die Fahrerin, dass der Tank fast leer ist. Sie suchen eine Tankstelle. An der Tankstelle soll er kurz aussteigen, er überlegt kurz und stellt fest, dass das eigentlich ganz logisch ist. Wie könne sie ihm ihr Auto anvertrauen? Sie haben ja bisher kaum ein Wort gewechselt und sind sich noch völlig fremd. Das muss sich ändern, denkt er. Und sei es nur, um beim nächsten Stop in Ruhe sitzenbleiben zu können.

Als er aussteigt bemerkt er einige düstere Gestalten, die an der Tankstelle herumlungern. Er denkt sich nichts weiter dabei, wartet am Auto und kurze Zeit später geht die Fahrt weiter. Er beginnt zu erzählen. Er erzählt ihr seine Geschichte. Alles, er nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie ist etwas erschrocken, aber sie bleibt ruhig und fährt einfach weiter. Sie fahren weiter, immer weiter, keine Ahnung wie lange sie schon fahren, aber sie lassen nicht nur die Kilometer hinter sich, sondern auch die Vergangenheit.

Beim nächsten Tankstop zahlt Karl-Heinz. Als er vom Bezahlen wiederkommt sieht er wie sich seine Begleitung mit einem der herumlungernden Typen unterhält. Sie scheint ihn zu kennen. Irgendwie scheinen Tankstellen solche Gestalten anzuziehen denkt er sich und steigt schonmal in das Auto ein. Sie kommt kurz darauf und fährt wortlos weiter.

So geht das einige Zeit und immerwieder bemerkt Karl-Heinz wie sie sich mit immer wieder anderen Menschen an den unterschiedlichsten Tankstellen unterhält. Er wundert sich, aber das wird schon alles seine Richtigkeit haben denkt er und so geht die Fahrt eine ganze Weile.

Sie fahren und fahren und fahren. Ziellos und rastlos. Immer weiter. Und wo sie ankommen werden und ob sie zusammen ankommen werden steht auf irgendeinem gelben Straßenschild, dass das Ziel markieren wird.

  • Sven Müller am 13. August 2006, 05:08

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